MAILE war stets ein Verfechter der Inlandsfertigung und trotzte dem vorherrschenden Trend zur einseitigen Kostenoptimierung im Einkauf. Beste Qualität, absolute Termintreue, marginale Retourenquoten und eine genehme Stammkundschaft wogen die pekuniäre Schattenseite mehr als auf. Dennoch hat keiner unserer heimischen Partner die letzten Jahre überlebt: Zuerst der leidige Niedergang ihres größten Auftraggebers in 2018, dann die Corona-Ausfälle und nun die Agonie der Bekleidungskultur (selbst Timotheus trägt heutzutage mehr Hoodies als Schlipse). Notgedrungen sind wir schrittweise ins europäische Ausland ausgewichen: Zwar ist das Tempo gedrosselt und unser Koordinationsaufwand gestiegen, doch unterm Strich erfreut es uns, dass kein Kunde von diesen Änderungen etwas mitbekommen hat.
Es mag verwundern, dass MAILE in keinen Social Media zu finden ist. Wir sind einfach keine Freunde der virtuellen Inszenierung, und statt für digitale Likes erdienen wir unseren Respekt lieber von echten, kaufenden, zufriedenen und wiederkehrenden Kunden. Auch mit sonstigem Marketing behelligen wir nicht, würden niemals irgendwen kontaktieren, um uns oder die neuesten Trends zu preisen, geschweige denn eine womöglich verfehlte Anschaffung anstupsen. MAILE ist einfach nur da und engagiert zur Stelle, sobald jemand etwas wünscht oder benötigt.
Nicht nur wir fühlen uns in der neuen Heimat pudelwohl, sondern offensichtlich auch die hochgeschätzten (und aufgrund der neu geschaffenen Distanz teils verloren geglaubten) Kunden, die den Ausflug zu MAILE in dieser entspannten Idylle genießen: Trachten-Winkler, der Wiesner Martin, die Fischerei von Preysing und natürlich das legendäre Bräustüberl sind fast nebenan, kaum sonstwo liegen so viele großartige Hotels und Restaurants dichter beisammen, und die Tegernseer Natur bedarf keiner Worte. Nach vier turbulenten Jahren läuft jedenfalls alles wieder rund.
Während 16 pandemischer Monate haben wir uns im suburbanen Home-Office so gut eingerichtet, dass MAILE seine Schwabinger Zentrale im Sommer verlässt und an den Tegernsee zieht. Unsere dortige Gewerbefläche stand zuletzt eh leer, und privat wurden wir der Pendelei müde.
Seit August finden Sie uns dauerhaft an der Aribostraße 73 in Rottach-Egern. Telefonisch und fernschriftlich sind wir wie gewohnt erreichbar, und nach vorheriger Terminvereinbarung natürlich gern auch persönlich vor Ort (mit eigenen Parkplätzen direkt vorm Haus). Das zuletzt dominierende Versandgeschäft wurde mit bewährter Zuverlässigkeit etabliert, so dass die Distanzkäufer kaum etwas von der räumlichen Veränderung mitbekommen.
In unserem traumhaften Münchner Fabrikloft freut sich zukünftig der Nachmieter auf Ihren Besuch - wir wünschen ihm von Herzen, dass er dort eine so schöne und erfolgreiche Zeit verlebt wie MAILE es 21 Jahre lang durfte.
Erneut aus heiterstem Himmel erwischt uns mit Corona und dem Frühjahrs-Lockdown eine zweite Krise, die nun aber wirklich nicht hausgemacht ist. Zwar bleibt die Lieferfähigkeit dank unserer inländischen Manufakturen überwiegend gewahrt, doch die zum Gesundheitsschutz unerlässlichen Abstandsregeln drosseln die Kapazitäten und verlängern die Lieferzeiten trotz rapide abnehmender Nachfrage um ein bis zwei Wochen. Mit dem Versandservice können wir den Kopf über Wasser halten, und da der Distanzhandel absehbar an Bedeutung gewinnen wird, digitalisieren wir in der staaden Zeit tausende weitere Stoffe für Hemden und Konfektion.
Prosit 2021? Schaun mer amoi, dann wern mers scho sehn.
Anstelle des geplanten Silberjubiläums beginnt eine neue Epoche: Ulrike Nieder-Vahrenholz erwirbt die Markenrechte und gibt MAILE in einer neuen Gesellschaft wieder ein Zuhause! Nachdem alles verloren schien, fassen Mitarbeiter und Lieferanten frischen Mut und legen sich mächtig ins Zeug. Dass ein Vorvater das eigene Lebenswerk unfreiwillig und zutiefst erschüttert abwickeln muss, während wir unter demselben Dach den Neuanfang wagen, ist bitterste Schicksalsironie.
Ursprünglich wurde MAILE (von engl. "MAIL" for "MALE") 1995 von zwei Schulfreunden gegründet. Über 20 Jahre hinweg bestand die paritätische Zusammenarbeit beneidenswert harmonisch, bis einer der beiden sein Midlife jählings umzukrempeln beschließt: Im Januar 2018 legt er das Amt als Geschäftsführer von heute auf morgen nieder, verkündet seinen Austritt als Gesellschafter, geht sogleich mit einem eigenen Unternehmen an den Start, beschmutzt seine vorherige Schöpfung und wird nie wieder ein Wort mit seinen langjährigen Weggefährten sprechen.
Die neue Konkurrenz ist weniger belastend als die Zerstörung zweier fleißiger Lebenswerke und die kursorisch unbeantwortete Frage nach dem Warum. Nichtsdestotrotz richten die düpierten Kollegen und Lieferanten sich den Hut und machen erstmal weiter, als sei fast nichts geschehen. Da jede Gesellschaft vertragliche und moralische Pflichten hat, derer man sich nicht nach Gutdünken entledigen kann, bleibt auch gar nichts anderes übrig. Die Hoffnung, der Lebenswandler würde binnen Jahresfrist zur Raison kommen, erfüllt sich allerdings trotz wohlwollender Zurufe und Türöffnungen nicht.
Ulrike "Friedel" Nieder-Vahrenholz, seit 2002 im Team und jedem Partner vertraut, übernimmt die Verkaufsleitung und jongliert das Überbleibsel mit ungefähr verdreifachtem Arbeitseinsatz durch diese unvorstellbar schwere Zeit. Trotzdem muss die einstige MAILE GmbH zum Jahresende aus satzungs- und gesellschaftsrechtlichen Gründen kopfschüttelnd aufgelöst werden.
Obwohl es guten Grund zur Klage gäbe, sehen Mitarbeiter und Compagnon nach den vielen tollen gemeinsamen Jahren von gerichtlichen Inanspruchnahmen ab und lassen es beim verheerenden Niedergang bewenden. Dabei ahnt noch niemand, dass der Abtrünnige seinerseits jahrelange Dispute anstrengen wird, um für seinen unheilvollen Exodus auch noch entschädigt zu werden.